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„Mehr Neues wagen“

Im Gespräch mit Prof. Dr. Andreas Knie

Die digitale Revolution eröffnet enorme Potenziale. Damit sie gelingt, braucht es aber auch ein neues Maß an Pioniergeist und Wagemut, wie Prof. Dr. Andreas Knie im Interview erklärt.

b on top: Welchen Stellenwert hat die Digitalisierung für unsere künftige Entwicklung?

Andreas Knie: Die Digitalisierung und die künstliche Intelligenz als ein Teil des Digitalen durchdringen stark unsere bestehende Welt. Sie entwerten Bestehendes und vieles Bekannte wird es so schlichtweg nicht mehr geben. Die Digitalisierung eröffnet aber auch viele Optionen für Neues und lässt uns Dinge besser machen. Damit können wir beispielsweise die Energieversorgung dezentralisieren und zu 100 Prozent auf regenerativ umstellen. Wir können damit aber auch den demografischen Wandel neu organisieren und die Verkehrswende mit wesentlich weniger Schadstoffen und Platzverbrauch meistern, ebenso wie die Agrarwende mit gesünderen und nachhaltigeren Produkten und Rohstoffen. Insofern kann die Digitalisierung zu Recht als eine industrielle Revolution gelten, die wir so in den letzten 100 Jahren noch nicht hatten. Damit halten wir den Schlüssel in der Hand, und es liegt an uns, diese Strukturen in ihren Optionen und Potenzialen auch proaktiv aufzugreifen – und nicht durch das Raster des Bestehenden zu sehen und ängstlich beiseite zustellen.

b on top: Worauf kommt es bei der Entwicklung und der Umsetzung von neuen digitalen Lösungen an?

Andreas Knie: Dafür braucht es etwas, was wir in Deutschland nicht mehr kennen und haben – und das ist die Trial-and-Error-Kultur. Wir müssen wieder viel mehr herumprobieren und experimentieren, mit mehr Offenheit und einem anderen Miteinander. Wir brauchen mehr Pioniergeist, der uns Neues wagen und auch einmal scheitern lässt. Stattdessen herrschen bei uns strikte Ordnungen und ein konsolidierter Wissensbestand vor. Dieser ist sicherlich sehr differenziert, aber eben nicht flexibel und steht uns für neue Dinge eher im Weg. Insofern sind wir gefangen in unseren alten Erfolgen, angewiesen auf tradierte Prozessschritte mit extremer Sicherheit und doppelten Böden. Wir leben in einer No-Risk-Gesellschaft im Vollkaskostatus und niemand riskiert mehr etwas. Das ist auch deshalb so, weil wir etwas bewahren wollen. Schließlich haben wir jetzt in der Menschheitsgeschichte den höchsten Wohlstandssockel erreicht – und den gilt es zu verteidigen. Meiner Meinung nach gelingt dies aber nur, wenn wir dem Neuen trauen und ihm eine Chance geben.

Prof. Dr. Andreas Knie, 1960 in Siegen geboren, ist seit 1996 Professor an der TU Berlin für Soziologie mit den Schwerpunkten Verkehrsforschung, Technologie- und Wissenschaftspolitik und Innovationsforschung. Seit 2017 leitet er auch die Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Zudem ist er seit 2018 Chief Scientific Officer (CSO) der Choice GmbH. Zuvor war er Geschäftsführer der innoZ GmbH sowie Prokurist und Bereichsleiter bei der Deutschen Bahn AG.

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